Gitarre spielen lernen und positive Psychologie
1. Gitarre spielen lernen und positive Psychologie – Die wichtigste Erkenntnis
a) Einleitung
In diesem Blogbeitrag möchte ich mit dir die wichtigste Erkenntnis aus meinen über 11 Jahren des Gitarrenunterrichtgebens teilen. Die Verbindung vom Gitarrenspiel und positiver Psychologie ist mir ein großes Anliegen, denn Gitarrenunterricht oder allgemein Instrumentalunterricht funktioniert nicht ohne die eine oft als anstrengend empfundene Form des Feedbackgebens auf Verhaltensebene, welche wir mit Hilfe von positiver Psychologie umwandeln können. Was bedeutet das?
b) Feedback im Gitarre üben
Egal bei welchem Lehrer¹ und mit welcher Methode du Gitarre lernst, du lernst es, indem du ständig korrigiert wirst oder dich ständig selbst korrigierst². Wir wissen aus der Genialitätsforschung, dass Menschen, die etwas sehr gut können, häufige Wiederholungen in ihrem genialen Bereich benötigt haben. Wir sprechen hierbei von über 15.000 Wiederholungen. Kurz gesagt um Gitarre gut spielen zu können musst du Griffe, Fingerübungen und Anschlagsmuster oft üben. Machst du dabei einen Fehler, verbesserst du ihn. Genau diesen Prozess meine ich mit direktem Feedback auf Verhaltensebene. Passiert etwas Ungewolltes, z.B. ein unsauberer Ton oder ein klirrender Akkord, verbesserst du ihn durch erneutes Greifen, also passt du dein Verhalten an.
Dieser Punkt für sich allein ist nicht neu, sondern der Alltag eines jeden Musikers. Egal ob Hobby oder professionell, ob Bühne oder Studio, ob über Skype oder vor dem Fernseher – wir wiederholen unsere Songs und Übungen um besser zu werden.
*gähn*
Vielleicht merkst du beim Lesen bis hierher, dass dieser eintönige Blick auf das Gitarre spielen nicht gerade gute Stimmung und schon gar nicht Lust aufbaut sich mit Freude und Spaß mit seinem Klangbrett zu beschäftigen und selbst kreativ zu werden. Wenn du diese Laune in den Keller schicken möchtest und Lust hast neue Erkenntnisse in deinen musikalischen Alltag zu integrieren, dann wird es jetzt für dich spannend.
2. Was ist positive Psychologie?
Die komplette Beantwortung dieser Frage würde den Umfang dieses Blogartikels sprengen. Ich möchte dich stattdessen hiermit zu einem Gefühl für diese neue Strömung einladen. Seit Ende der 1990er Jahre gibt es einen neu aufkeimenden Pfad der Psychologie³. Beschäftigte man sich vorher vor allem mit Problemen und Störungen einzelner Individuen und der Bewältigung dieser, rücken in der positiven Psychologie die Ressourcen der Menschen in den Vordergrund. Die Frage: „Was kannst du gut?“ Und die Aufforderung: „Mach davon mehr!“ Bringen meiner Meinung nach eine der für mich wichtigsten Energien hierfür auf den Punkt. Aus dieser Haltung resultiert die Motivation, mit der wir großes vollbringen und uns selber einladen über uns hinaus zu wachsen.
Für das Gitarre spielen lernen bedeutet das, wir richten unseren Sichtpegel vom Boden mit all den Lasten (Fehlern, schiefen Tönen, blöden Erfahrungen…) auf das, was schon hervorragend klappt – und wie geht es jetzt eigentlich weiter?
3. Die Technik – Gitarre spielen lernen und positive Psychologie
a) Wie geschieht positive Ausrichtung?
Dass man mit positiven Gedanken ins Leben starten soll, kennst du bestimmt schon von Oma Gerda. Dass diese aber nicht einfach zu uns schweben, wenn wir den Geschirrspüler aufklappen oder die Wohnung bohnern, ist, denke ich, auch kein Geheimnis. Das heißt hier benötigen wir eine Technik, eine Art Gerüst, an das wir uns halten können um den Effekt des Fokuswechsels von Boden zu Sonnenschein zu meistern. Die beiden Zauberwörter heißen hierbei sinnesspezifisch konkret⁴.
Kurz: Wenn ich mich auf etwas fokussieren möchte, was ich schon gut kann, dann bedeutet es, dass ich nacheinander aktiv meine Sinne anschalte und sie auffordere das, was ich gut kann, zu erleben. Das Ziel hierbei ist in einen passenden State zu kommen, aus dem heraus mit Freude und Spaß = Emotion = Lernbooster⁵ musiziert werden kann. Wenn du es gleich selber ausprobieren möchtest, dann spring einfach direkt zur Übung mit einem Klick auf hier.
b) Die Technik für den Gitarrenunterricht
In meinem Unterricht bedeutet dies, dass ich gerade bei Schülern, die am Beginn ihrer gitarristischen Laufbahn stehen, die Unterrichtsdynamik in eine positive Richtung lenke, indem ich sie mit sinnesspezifischen Attributen hierzu einlade. Gerade bei jüngeren Schülern eignen sich hierfür Fragen wie: Hast du gesehen (visueller Sinneskanal), wie gut das schon lief? Jetzt wo du das geschafft hast, wie fühlt (kinästhetischer Sinneskanal) sich das an? Hast du gehört (auditiver Sinneskanal), was da gerade geklappt hat? Das riecht (olfaktorischer Sinneskanal) mir aber verdächtig nach Erfolg, oder?
Auch allgemeine Aussagen können dazu einladen diese positive Energie wahrzunehmen: Mir scheint (visueller Sinneskanal), da hat jemand fleißig geübt. Das hast du aber schnell umgesetzt (kinästhetischer Sinneskanal). Auch kann die Wahl, welchen Sinneskanal wir ansprechen wollen, unserem Gegenüber überlassen werden. Je offener die Frage, desto mehr Spielraum lassen wir hierfür: „Toll, wie war das für dich?“.
Das A und O ist hierbei jeden noch so kleinen Erfolg würdigen zu können und sei es das Treffen des ersten Tones. Während die vorangegangenen Möglichkeiten vor allem an Unterrichtssituationen anknüpfen, möchte ich dir hier einen Punkteplan vorstellen, mit dem du das Gitarrenspiel für dich allgemein z.B. beim Üben nach positiven Kriterien ausrichten kannst.
4. Übung – Positive Ausrichtung im Gitarrenspiel
a) Übungsanleitung – Gitarre positiv spielen lernen
- Such dir etwas, was du gut kannst /was gut geklappt hat (z.B. einen Song, eine Technik, eine Übung, eine Melodie, eine allgemeine Situation)
- Erlebe das, was gut geklappt hat, auf deine Art erneut. Denke daran und schließe deine Augen. Wichtig: Erlebe es als, ob du es jetzt gerade wieder tust.
- Was siehst du in diesem Augenblick, da es gut klappt?
- Was hörst du in diesem Augenblick, da es gut klappt?
- Was riechst und schmeckst du in diesem Augenblick, da es gut klappt?
- Wie fühlt sich das an? (Bitte lass dir bei der Beantwortung dieser Frage viel Zeit. Emotionen benötigen Raum um sich zu entfalten. Aus diesen Emotionen heraus handeln wir später erneut. Sie sind unser musikalischer Lernbooster.
- Wiederhole die Punkte, die dir am meisten Freude bringen und Energie geben für den Beginn deiner bevorstehenden gitarristischen Arbeit.
- Beginne jetzt mit dem Musizieren und baue einige der Fragen weiterhin in deine weitere musikalische Arbeit ein.
b) Tipp zur Integration in das Üben an der Gitarre
Natürlich kannst du diese Übung regelmäßig von Punkt 1 bis Punkt 8 durchgehen. Eine andere Möglichkeit ist es, einige dieser Punkte als eine Art Routine in die eigenen musikalischen Abläufe zu integrieren. Hierbei könntest du z.B. eine Woche lang mit Punkt 1 arbeiten. Angenommen du bist am Gitarre Üben und hast eine Technikübung beendet. Was hat gerade gut funktioniert? Welche Finger griffen sauber und rund? Oder was lief schon besser als das letzte Mal?
Diese Art der Integration hat den Vorteil, dass wir uns ständig mit kleinen Hinweisen neu positiv ausrichten und dies sehr regelmäßig.
c) Kostenloser Download
Du kannst die Übungsanleitung auch kostenlos downloaden. Für den Download bitte mit Rechtsklick auf hier klicken und im Anschluss im Menü „Link speichern unter“ auswählen.
5. Gitarre spielen lernen mit positiver Psychologie, Warum? – Fazit
Auch wenn ich bisher vor allem beschrieben habe, wie wir vorgehen und was positive Psychologie ausmacht, ist mir wichtig abschließend noch einmal zu beleuchten, welchen Vorteil wir Musiker, Schüler und Gitarrenlehrer daraus ziehen. Wegweisend ist hier das Sprichwort: „Energy flows where attention goes“⁶. Das, worauf ich mich fokussiere, hole ich in mein Gitarrenspiel. Aber noch viel mehr als das. Das Gitarre Üben kann viel Zeit und Wiederholungen benötigen. Wäre es da nicht besser, wenn wir uns in dieser Zeit des Übens so richtig wohl fühlen?
Ein weiterer interessanter Aspekt ist der des Wiederabrufens. Stell dir vor, du spielst einen Song, den du dir über längere Zeit mit viel Freude und Energie auf der Gitarre erarbeitet hast. Dein emotionales Gedächtnis wird diese Gefühle wieder abrufen und dir dankbar sein.
Zu guter Letzt wissen wir heute, dass die Energie, die uns unsere Stärken offenbart, viel kraftvoller und zielführender ist, als das ständige Betrachten von Problemen, Fehlern und Baustellen.
Wäre es nicht ein interessantes Gedankenexperiment, würden wir schon die jüngsten unserer (musikalischen) Gesellschaft mit dieser Art des Denkens vertraut machen?
Ich wünsche dir eine großartige positive Energie auf deinem musikalischen Weg an der Gitarre.
Herzliche Grüße
Christian
Anmerkung und Quellen:
¹ Zugunsten der Lesbarkeit wird hier nur die männliche Form genutzt. Selbstverständlich sind alle Personen gemeint.
² Ernst, A. (2012): Lehren und Lernen im Instrumentalunterricht: Ein pädagogisches Handbuch für die Praxis. Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz
³ Frederickson B. (2011): Die Macht der guten Gefühle: Wie eine positive Haltung Ihr Leben dauerhaft verändert. Campus Verlag GmbH, Frankfurt/New York
⁴ O’Connor J./Seymour J. (2013): Neurolinguistisches Programmieren: Gelungene Kommunikation und persönliche Entfaltung. VAK Verlags GmbH, Kirchzarten bei Freiburg
⁵ Birkenbihl V. (2017): Trotzdem lehren. Münchner Verlagsgruppe GmbH, München
⁶ Sprichwort nach Milton Hyland Erickson