Gitarre üben – 5 erstaunliche Tipps

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1. Einleitung – Gitarre üben

Mit diesen 5 Tipps beleuchte ich für dich das Gitarre üben von einer etwas untypischeren Seite. Während der erste Punkt unter der Überschrift „Einspielübung“ noch ein klassischer Rat-Schlag sein könnte, möchte ich in den darauffolgenden 4 Tipps eine Verbindung zwischen Musik und Lernforschung wagen. Mit dieser Verbindung möchte ich mit dir interessante Phänomene aus meiner Übe- und Unterrichtspraxis teilen.

1.1 Warum Gitarrenunterricht und Lernforschung verbinden?

Stell dir vor, du fragst ausschließlich Gitarristen¹ nach Ihren Tricks, Hinweisen und Rat-Schlägen zum Thema Üben. Aus einer Meta-Perspektive betrachtet werden die Antworten, die du bekommst, vor allem aus dem Feld des Gitarrenspiels kommen. Ich hatte bei einer Vielzahl von Gitarrenlehrern Unterricht. Meine Beobachtung: Was einerseits sehr nützlich sein kann, erschöpft sich mit zunehmender Anzahl der Gitarrenunterrichtsstunden und Anzahl der Befragten. Einige der Antworten widersprachen sich sogar. Toll an den Tipps, die ich bekam, war, dass sie alle praxiserprobt sind und für den jeweiligen Lehrer funktionierten. Später bemerkte ich dann, dass die wenigsten mich sofort weiterbrachten, sondern erst, nachdem ich sie für mich anpasste. Sie waren also nicht von jetzt auf gleich universell anwendbar. Neue und spannende Erfahrungen machte ich mit der Gitarre unterm Arm im Unterricht mit anderen Instrumentalisten. So möchte ich die Erfahrungen beim Saxophon-, Klavier-, Schlagzeug- und Orgellehrer nicht missen. ABER – Auch hier bekam ich häufig die individuellen Erfahrungen und Strategien der Musiker mitgeteilt, was nicht gleichzeitig bedeutete, dass diese auf meinen Lerntyp individuell zugeschnitten sind. Meine Suche nach so etwas wie Allgemeingültigkeit zum Thema instrumentales Üben brachte mich schließlich dazu im Bereich der Lernforschung zu stöbern. Und hier beginnt ein erfrischend neuer Blick auf Möglichkeiten, Strategien und neue Erkenntnisse, die ich dir in diesem Blogbeitrag aufzeigen möchte.

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1.2 Schläge mit dem Rat

Dir ist bestimmt meine analoge Markierung des Wortes Rat-Schlag aufgefallen. In der Persönlichkeitsentwicklung meint man hierzu: Rat-Schläge sind Schläge mit dem Rat. Wenn sich ein Satz in meiner Unterrichtserfahrung ständig bewahrheitet, dann ist es dieser. Sobald es jemand gut mit dir meint und einen Hinweis formuliert mit „Du musst das so spielen, weil…“ oder „Das kannst du nicht machen, denn…“, ist das ein Zeichen dafür, dass aus der eigenen Erfahrung berichtet und verallgemeinert wird. Hier erinnere ich mich gern an die weisen Worte meines Didaktikdozenten aus meiner Studienzeit, der dazu sagte: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Spätestens seit 1979 (Denn da erschien der Film: „Das Leben des Brian“) wissen wir, dass wir alle Individuen sind. Diese Formulierungen dürfen also getrost dazu einladen etwas Abstand zu dem Gesagten einzunehmen. Denn keine Idee kann hundertprozentig für jeden von uns Musikern übernommen werden.
Und jetzt wünsche ich dir tolle neue musikalische Erkenntnisse mit dem Blickwinkel, den die folgenden 5 Punkte auf das Gitarre üben werfen.

2. Gitarre üben – 5 erstaunliche Tipps

2.1 Einspielübung – Alter Hut

2.1.1 Warum mit Einspielübungen an der Gitarre beschäftigen?

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Einen Rat-Schlag kann ich mir doch nicht verkneifen. Warum? Noch bevor ich mein Studium an der Gitarre begann hatte ich mit meiner ersten Sehnenscheidenentzündung zu kämpfen. Der Grund: zu langes Gitarrespielen und vor allem ständiger Kaltstart in die Übesessions. Damals spielte ich in einer Metalband und wollte so schnell wie möglich starke Riffs und Licks in ein hohes Tempo bringen. Das lief dann häufig wie folgt ab: Amp an, schnell stimmen, Metronom an und los. Es dauerte keine 5 Tage und Gitarre spielen war für mehrere Monate erledigt. Denselben Fehler machte ich im Musikstudium. Hier wollte ich gleich zu Beginn meiner Übungseinheit das Jazz-Comping (die Jazzakkordbegleitung) mit neuen Akkorde trainieren. Mein Körper bedankte sich umgehend.

2.1.2 Welche Einspielübung für das Üben an der Gitarre?

Und welche Einspielübung ist jetzt die richtige?
Stell dir vor, du erwachst aus einem langen Winterschlaf. Die Sonne scheint noch nicht so richtig, deine Arme, Gelenke und Finger sind noch kalt und jede deiner Bewegungen geschieht sehr langsam und braucht Zeit. Welches Szenario kannst du jetzt am wenigsten gebrauchen? Der morgendliche Zug fährt in 30 Sekunden Richtung sonniger Strand und du musst rennen um ihn noch zu bekommen…. oder dir fällt ein, dass du noch 1000 Briefmarken per Hand abstempeln musst, damit die Briefe noch rechtzeitig von der Postkutsche mitgenommen werden? Der Presslufthammer auf der Baustelle… nein, mal ganz ehrlich: Häufige und andauernde repetitorische Bewegungen sind nach diesem Winterschlaf bestimmt nicht das Erste, womit du dich beschäftigen möchtest. Für das Üben an der Gitarre wünscht sich unser Körper dasselbe. Kalte Gelenke funktionieren ähnlich schlecht wie ein ungeölter Motor und das gilt es zu vermeiden. Das heißt hier hilft eine Einspielübung, die einfach ist, wenig Kraft benötigt, aus minimalen kleinen Bewegungen besteht und vor allem ohne feste Time funktioniert. Ich stelle dir hier meine Fingerübung als Download zur Verfügung. Für mich funktioniert sie – ganz egal ob vor einer Übesession im Proberaum oder vor einem Auftritt.
Probiere doch mal aus, wie sie sich für dich anfühlt, wenn du folgendes beachtest:

  • Ohne Time:
    Jeder Finger braucht erst dann gespielt zu werden, wenn er wirklich sauber greift
  • Minimale Bewegungen:
    Die Finger können die kleinstmöglichen Bewegungen für den Wechsel der Töne vollziehen. (Der wichtigste Parameter wäre hier der Abstand von nicht benötigten Fingern zur Saite)
  • Einfach:
    Wie fühlt sich die Übung nach dem dritten Tag an? Was funktioniert besonders leicht? (Ein langsames Tempo kann schwierige Bewegungsabläufe vereinfachen.)

2.1.3 Download – Fingerübung, Einspielen auf der Gitarre

2.2 Dein sinnesspezifischer Lernkanal

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Welche Bedeutung hat ein sinnesspezifischer Lernkanal für das Üben an der Gitarre?

Diese Frage möchte ich mit einer kleinen Übung beantworten. Wenn du gerade Lust hast eine sinnesspezifische Erfahrung zu erleben, dann lade ich dich mit der Beantwortung der folgenden Frage ein, nach innen zu gehen und vielleicht sogar deine Augen zu schließen.

Los geht’s:

2.2.1 Übung zum sinnesspezifischen Lernkanal

  1. Bitte denke an die C-Dur-Tonleiter
  2. Schließe deine Augen und richte deine Wahrnehmung nach innen. Was geschieht in dir?
  3. Bitte achte auf folgendes:
    • Was gibt es zu sehen, welche inneren Bilder erscheinen dir?
    • Was gibt es zu hören, wo kommt es her und aus welcher Entfernung nimmst du es wahr?
    • Was gibt es zu fühlen und in welche Richtung dreht sich das, was du fühlst?
    • Gibt es etwas zu riechen und zu schmecken?
  4. Komm langsam wieder in das Hier und Jetzt (öffne die Augen) und nimm deine Umgebung wahr.
  5. Nun denke erneut an die C-Dur-Tonleiter, schließe deine Augen und gehe wieder nach innen.
  6. Welchen der Reize nimmst du zuerst wahr?
    • Visuell (innere Bilder oder Filme/Filmsequenzen)
    • Auditiv (eine Klangquelle z.B. eine Stimme oder einen Sound oder ein Geräusch)
    • Kinästhetisch (ein Gefühl an einem bestimmten Ort im Körper)
    • Olfaktorisch oder Gustatorisch (Geruch oder Geschmack)
  7. Komme wieder zurück in das Hier und Jetzt und nimm die Umgebung um dich herum wahr.

Du hast die Übung zum sinnesspezifischen Lernkanal nun beendet.

2.2.2 Auswertung – Übung zum sinnesspezifischen Lernkanal

Diese Übung ermöglicht dir einen Einblick in deine persönliche und individuelle Art zu denken. Die genaue Analyse, welche Techniken hinter den 7 Anweisungen der Übung stecken, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Aber folgendes liegt mir am Herzen: Jedes Mal, wenn wir an unserem Instrument oder auch für unser Instrument etwas üben und lernen, nehmen wir es zuerst durch unsere Sinneskanäle auf und verarbeiten es erst im Anschluss weiter.

Ohne unsere Sinneswahrnehmungen können wir kein Wissen aufnehmen. Das ist soweit klar. Nun heißt es aber auch im Umkehrschluss die Konsequenz daraus zu ziehen. Was passiert eigentlich, wenn wir dieses Wissen wieder abrufen wollen? Was passierte in dir, als du dich auf die C-Dur-Tonleiter konzentriertes? Erlebtest du eher Bilder oder eher Töne? Waren da eher kleine Filmsequenzen oder eine Stimme, die zu dir sprach? Oder formte sich ein Gefühl, dass sich vielleicht sogar veränderte, drehte oder pulsierte? Genau auf diese Art (re-)konstruiert unser Gehirn das Gemerkte und Gelernte und stellt es uns zur Verfügung. Mit dieser Übung erfährst du Bewusstheit über deine inneren Lernstrategien. Vielleicht hast du sogar herausgefunden, welche Sinneswahrnehmung du zuerst erlebt hast. Dies könnte ein Hinweis auf deine Lieblingsart zu lernen sein. Warum nicht gleich von Anfang an den Kanal fördern, der dir am nächsten liegt? Magst du Töne, Stimmen und Geräusche? Es könnte sich lohnen deinen Gesang stark in Übesessions einzubeziehen. Liebst du eher innere Bilder? Wie wäre es Notenpassagen bunt einzufärben oder Klangfarben tatsächlich mit Farbtönen zu benennen und so mental zu sortieren? Oder bist du Herr/Frau starker Gefühle? Wie wäre es diese zu ordnen nach Größe, Höhe, Position im Körper oder Drehrichtung. Im Anschluss könntest du schauen, wie du diese Gefühle aktiv wahrnehmen und passenden Passagen zuordnen kannst.
Mein Tipp für das Herausfinden deiner Lieblingssinneswahrnehmung: Beobachte dich die erste Zeit regelmäßig im Abrufen von Gelerntem und Erinnerungen. Es wird sich daraus ein Muster ergeben und dein Lernkanal wird sich abzeichnen. Es können auch zwei Sinneswahrnehmungen gleichzeitig auftreten. Dies wird als Synästhesie bezeichnet.

2.2.3 Ein Wink aus der Musikgeschichte

Nur weil das Endprodukt des Musizierens für den Zuhörer ein akustisches Erlebnis ist, heißt das noch lange nicht, dass alle Musiker vor allem auditive Lerntypen sind. Wir wissen aus Briefen und Erzählungen, dass Mozart und Beethoven während des Musizierens und Komponierens vor allem visuell fokussiert waren.²

2.3 ABC-Listen für das Auswendiglernen

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Nicht alle Aspekte des Musizierens erlernst du am schnellsten mit dem Instrument in der Hand. Das klingt nach einem Widerspruch? Wenn es um das reine Auswendiglernen von musiktheoretischen Begrifflichkeiten und Zusammenhängen geht, die erst durch das Verstehen dieser dein Spiel beeinflussen werden, dann kann es sinnvoll sein auf Merktechniken aus der Lernforschung zurückzugreifen.

2.3.1 Das Modell – ABC-Listen nach Vera F. Birkenbihl

Den ABC-Listen liegt ein interessantes Modell unserer Erinnerungsfähigkeit zugrunde. Stell dir vor dein Gehirn ist wie ein riesiges Archiv aufgebaut. In diesem Archiv gibt es eine Vielzahl von Aktenschränken. Jeder Aktenschrank wird von jeweils einem kleinen Männchen zugehalten. Somit bleiben all die wertvollen Informationen gut geschützt im Verborgenen. Das ist übrigens gut so, denn würden die Männchen alle auf einmal ihre Arbeit niederlegen und streiken, dann würdest du mit all deinen Erinnerungen und Informationen überschüttet werden. Kannst du dir vorstellen, dass dann selbst einfache Aufgaben wie das Essen eines Spiegeleis vor lauter Ablenkung ganz schön schwierig wären? Trotzdem kann man mit diesen kleinen Männlein ins Geschäft kommen. Der Handel ist einfach: Du suchst die Informationen eines Aktenschrankes so häufig und penetrant auf, dass der Helfer schlicht und einfach die Lust am verbissenen Zuhalten verliert. Der Schrank bleibt so für dich geöffnet und der Inhalt steht dir zur Verfügung. Stell dir nun vor, wie es wäre, wenn du das mit einer Vielzahl von Aktenschränken gleichzeitig machen würdest. Hierfür entwickelte die Trainerin Vera F. Birkenbihl die ABC-Liste.³

2.3.2 Anleitung – ABC-Listen nach Vera F. Birkenbihl

Um den Turbozugriff auf dein musikalisches Wissen zu aktivieren kannst du dir zuerst die ABC-Liste hier herunterladen. Du benötigst die Liste, einen Timer (z.B. das Smartphone) und einen Stift.
Gehe nun wie folgt vor:

  1. Lege das musikalische Thema fest, dass du vertiefen möchtest (z.B. Allgemeine Musiktheorie, Modi der Tonleitern oder Sammeln von Artikulationstechniken)
  2. Stelle den Timer auf 3 Minuten und drücke auf Start
  3. Lass deine Augen über die Buchstaben am linken Rand der Liste wandern
  4. Dir fällt ein Begriff mit passendem Anfangsbuchstaben ein? Schreibe ihn in die Liste. (Die Reihenfolge der Eintragungen ist hierbei egal. Was dir einfällt, wird zugeordnet.)
  5. Dir fällt nichts mehr ein? Du möchtest bestimmte Aspekte nachlesen? Sehr gut, folge deinem Wunsch.

Hinweis
Wundere dich nicht, wenn das erste Mal noch relativ wenige Worte ihr neues Zuhause auf deinem Papier gefunden haben. Mit jeder ABC-Liste wird dein Gehirn die Informationen schneller bereitstellen. Starke Effekte wirst du mit regelmäßigem Üben nach der ersten Woche bemerken. Das Wissen wird dir nun in deinem Übealltag an der Gitarre bereitstehen.

2.3.3 Download – ABC Liste für optimales musikalisches Wissen

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2.4 Singen zum Gitarre üben

Auch wenn ich das Singen schon kurz in der Auswertung der Übung zum sinnesspezifischen Lernkanal erwähnt habe, es bekommt hier einen eigenen Punkt. Warum? Das Singen ermöglicht uns eine einfache ganzheitliche Erfahrung und wir schlagen mehrere Fliegen mit einer Klappe. Z.B. werden wir gleichzeitig aktiv auf rhythmischer und melodiöser Ebene. Das, was wir singen, haben wir emotional verstanden und es festigt sich dadurch. Bestimmt kannst du dich auch heute noch an Lieder aus deiner Kindheit erinnern und dass, obwohl du sie nicht dein Leben lang täglich geübt hast. Selbst wenn der Text nicht mehr sicher sitzt, Melodien speichern wir ewig. In meinem Gitarrenunterricht mache ich die Erfahrung, dass Schüler nach dem Singen eines Liedes die Melodie auf der Gitarre sicher spielen können. Außerdem ist die Stimme das natürlichste uns gegebene Instrument, warum es nicht nutzen um auf der Gitarre voranzukommen?
Im Folgenden stelle ich dir 3 Möglichkeiten vor, in denen dich das Singen voranbringen wird.

2.4.1 Singen beim Lernen von Songs

Hierbei ist egal, ob du die Melodie eines Songs spielen oder die Melodie mit Akkorden begleiten möchtest (Liedbegleitung). Am einfachsten gestaltet sich das Singen zu einer Aufnahme. Youtube, Mp3s oder Spotify können da behilflich sein. Wenn du die Melodie nach etwas Übung auch ohne das Abspielen des passenden Tracks singen kannst, bist du bestens gerüstet für den nächsten Schritt deiner Übesession.

2.4.2 Singen für Improvisationen und Solospiel

Vor allem im Jazz wird das Singen als Übungskanal angewendet. Die folgende Übung habe ich erstmals im Unterricht bei Joachim Schönecker erlebt. Sie eignet sich zur (ewigen) Festigung von Tonleitern, Dreiklängen, Vierklängen und sämtlichem Material, das du aktiv in dein Solospiel und deine Improvisationen holen möchtest. Das Prinzip ist hierbei das Folgende:

  1. Schnapp‘ dir einen Fingersatz z.B. einer Tonleiter in einer Lage deines Griffbrettes
  2. Improvisiere auf der Gitarre mit diesem Fingersatz
  3. Fange nun an zu deinem Gitarrenspiel unisono zu singen
  4. Setze ab und zu mit deinem Gitarrenspiel aus
  5. Versuche das Gitarrenspiel einzustellen und nur noch zu singen

2.4.3 Singen für die Festigung der rhythmischen Performance

Dieses Training designte ich in der Zeit meines Gitarrenspielverbots aufgrund der Sehnenscheidenentzündung. Ich befasste mich damals mit rhythmischen Verschiebern. Diese Art des Singens eignet sich vor allem zur Festigung von komplexen rhythmischen Elementen, wie sie in Improvisationen, Soli und auch Songs (z.B. als Kicks) anzutreffen sind. Du kannst hierbei wie folgt vorgehen:

  1. Isoliere die komplexe rhythmische Figur
  2. Organisiere dir einen Backingtrack oder Klatsche auf die wichtigen Zählzeiten des zugrunde liegenden Taktes oder nutze ein Metronom
  3. Singe die rhythmische Figur auf einem Ton
  4. Steigere langsam das Tempo
  5. Singe die rhythmische Figur mit verschiedenen Tönen in einer eigenen Tonfolge

2.5 Reihenfolge beachten oder musikalisch puzzeln?

Wer sagt eigentlich, dass man im Üben an der Gitarre immer von Anfang an beginnen muss? Klar, du hast bestimmt auch in der Schule gelernt einen Text von Beginn an zu lesen. In der Grundschule ist das auch wichtig, denn irgendwo muss man anfangen das Lesen zu lernen. Ich kann mich allerdings auch an eine Unterrichtssituation im Gymnasium erinnern, in der die Lehrkraft meiner Klasse als Strafarbeit einen langen Text per Overheadprojektor (damals noch Polylux genannt) an die Wand schmiss und diesen Stück für Stück abschreiben ließ. Hier könnte es sich lohnen über diese Strategie des „wohlgegliederten“ Schritt-für-Schritt-Übens nachzudenken.

2.5.1 Ent-decken statt Langeweile

Natürlich übe ich mit den jüngeren SchülerInnen die Stücke zuerst durch Singen und damit von Anfang an. Später lade ich sie allerdings häufiger dazu ein auch mal in der Mitte oder mit den Schlusstakten eines Stückes zu beginnen. Die Idee hierfür stammt erneut von Frau Birkenbihl. Sie legt anschaulich Wert darauf einen Gegenstand zu ent-decken.

2.5.2 Musikstücke puzzeln statt pauken

Du kannst diese Art des Lernens auch mit einem Puzzle vergleichen. Das Zusammensetzen der ersten Puzzlestücke macht neugierig auf mehr. Je weiter du puzzelst, desto höher steigt die Spannung (=Emotion=Lernbooster) das gesamte Bild zu erkennen. Diese Art des Übens kannst du auch mit mehreren Stücken verbinden. Das Hin-und-Her-Springen zwischen 2 bis 3 verschiedenen Songs stellt eine erfrischende Alternative zum herkömmlichen Üben dar und sorgt gleichzeitig für spannende Abwechslung.

3. Fazit – Gitarre üben

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In diesem Beitrag habe ich die 5 Tipps sehr detailliert beschrieben, was nicht gleichzeitig bedeuten soll, dass deren Umsetzung Unmengen an Zeit benötigt. Ich persönlich mag die Idee der kleinen Veränderung. Diese besagt, dass ein kleines Detail, das man von jetzt an täglich in seine Gewohnheiten einbaut, durch die Regelmäßigkeit große Veränderung mit sich bringt. Stell dir vor, du würdest jeden zweiten Tag mit einer kleinen neuen Gewohnheit nur 5 Minuten Gitarre üben.

Das wären in einem Jahr 182,5 Tage, an denen du mit insgesamt 912,5 Minuten neue Wege gegangen bist, die dich in deinem Instrumentalspiel voranbringen. Bist du ein wagemutiger Abenteurer auf dem Gebiet des Übens an der Gitarre? Dann wird es sich für dich lohnen neue Wege auszuprobieren.
Ich wünsche dir viel Erfolg beim Gehen neuer Wege an der Gitarre.

Herzliche Grüße
Christian Haupt

Anmerkung und Quellen:

¹ Zugunsten der Lesbarkeit wird hier nur die männliche Form genutzt. Selbstverständlich sind alle Personen gemeint.

² Dilts R. (2017): Strategies of Genius: Volume I, Band 1. Dilts Strategy Group, Scotts Valley, Kalifornien (USA)

³ Birkenbihl, Vera F. (2019): Denkwerkzeuge für den Alltag: Kreative Techniken zur Problemlösung. Münchner Verlagsgruppe GmbH, München

⁴ Schönecker J. (2009): Melodisch Moll: Moderne Sounds & unbegrenzte Möglichkeiten, in: Gitarre & Bass 04.2009. Musik-Media-Verlag, Zweigniederlassung der Ebner Media Group GmbH & Co. KG, Köln; Schönecker J. (2009): Pentatonik: Die magische Fünf, in: Gitarre & Bass 08.2009. Musik-Media-Verlag, Zweigniederlassung der Ebner Media Group GmbH & Co. KG, Köln

⁵ Schönecker J. (2009): Polyrhythmik: Spannung durch Überlagerungen, in: Gitarre & Bass 02.2009. Musik-Media-Verlag, Zweigniederlassung der Ebner Media Group GmbH & Co. KG, Köln

⁶ Birkenbihl V. (2013): Trotzdem lernen: Lernen lernen. Münchner Verlagsgruppe GmbH, München